Ein Medikament gegen das Vergessen: Können wir Alzheimer stoppen?

Shownotes

Seit Kurzem ist in der EU das Mittel Lecanemab zugelassen. Die umstrittene wie ersehnte Therapie damit verlangsamt den Verlauf der Krankheit. Die Forschung denkt derweil schon einen Schritt weiter: Sie will die Demenz nicht nur bremsen, sondern heilen.

Gast: Stephanie Lahrtz, NZZ-Medizinjournalistin Host: Lena Waltle

Ausserdem hörst du in dieser Folge:

  • Claudia, die an Alzheimer erkrankt ist, und ihre Tochter Nicole
  • Prof. Dr. med. Timo Grimmer, Leiter des Zentrums für Kognitive Störungen und des Neurochemischen Labors

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Transkript anzeigen

00:00:00: Dieser Podcast wird präsentiert von Sustainable Switzerland, der Plattform für eine nachhaltige Schweiz.

00:00:11: Das ist Quantensprung.

00:00:13: Ein Podcast der NCZ über Forschung, die bewegt.

00:00:25: Claudia tritt dem Videocall bei.

00:00:27: Sie hat lange blonde Haare, ein freundliches Gesicht.

00:00:31: Sie sieht nicht aus wie sechzig.

00:00:33: Kurz bewegt sich noch das Bild, dann friert der Wildschirm ein für den Rest unseres Gesprächs.

00:00:40: Sie klingt aufgeregt und möchte, dass wir sie im Podcast nur beim Vornamen nennen.

00:00:48: Klaudia ist eine von geschätzt fifty-fünfzig Millionen Menschen auf der Welt, die an der häufigsten Form von Demenz erkrankt sind.

00:00:55: Als Heimer.

00:01:07: Seit diesem September ist Claudia eine der ersten Patientinnen, die in Deutschland mit einem neuen Alzheimer-Medikament behandelt werden.

00:01:32: Das Medikament soll die Alzheimer-Krankheit verlangsamen und in Zukunft könnte noch viel mehr möglich sein.

00:01:39: Die Forscher hoffen, dass man die Krankheit nicht nur stoppen kann, sondern den Ausbruch verhindern kann.

00:01:45: Noch nie wurde in einem Alzheimer-Medikament so viel Hoffnung gesteckt.

00:01:49: Von Forschern, Ärzten, Patienten.

00:01:52: Ich bin Lena Waltle, Wissenschaftsjournalistin der NCZ.

00:01:56: Und gemeinsam mit meiner Kollegin, der Medizinjournalistin Stephanie Lahrz, gehe ich heute eine Idee nach, die Alzheimer aufhalten könnte.

00:02:04: Wir schauen uns an, was dieses Medikament kann.

00:02:06: Und was noch nicht?

00:02:09: NZZ-Quantensprung.

00:02:11: Wir zeigen, wie Forschung funktioniert und wie aus Wissen

00:02:14: Zukunft wird.

00:02:20: Schon seit vier Jahren fällt es Claudia immer schwerer, zu sprechen, sich zu erinnern.

00:02:25: Trotzdem macht sie das, was ihr am schwersten fällt.

00:02:28: Sie spricht mit uns und erzählt Stephanie und mir im Videocall von ihrem Alltag.

00:02:36: war das mit dem Stottern.

00:02:41: Ich war gestern bei meinen neuen Hausärztin.

00:02:45: Ich habe kaum Religion kennengelernt.

00:02:47: Und ich schäme mich dann immer so viel.

00:02:51: Deshalb ist auch Claudias Tochter Nicole bei unserem Gespräch dabei.

00:02:55: Sie hilft ihr gelegentlich, die richtigen Worte zu finden.

00:02:58: Stottern oder vergessen viel.

00:03:01: Das, was ich gerade gemacht habe, treime ich um und weiß es nicht mehr.

00:03:06: Oder ich leg irgendwo was hin.

00:03:10: Dann finde ich es nicht mehr.

00:03:13: Das ist so schlimm für mich.

00:03:15: Ich habe immer alles gekonnt.

00:03:17: Und jetzt müssen wir so viele Leute helfen.

00:03:21: Vor ihrer Erkrankung hat Claudia in der Psychiatrie gearbeitet.

00:03:24: Bei ihren Kollegen informiert sie sich, was sie tun könnte.

00:03:28: Denn sie will es der Krankheit nicht so einfach machen.

00:03:31: Ein Arbeitskollege, ein Arzt, da hat er mir dann die ...

00:03:52: Vor über einem Jahr nahm sie bereits an einer klinischen Studie teil.

00:03:56: Der Wirkstoff, der dort getestet wurde, heißt Lekanemap.

00:04:00: Claudia und ihre Familie wissen aber nicht, ob sie vor einem Jahr schon dieses Medikament bekommen hat.

00:04:06: oder eben nur ein Placebo.

00:04:08: Seit diesem Jahr ist Lekanemap in der EU zugelassen und seit Anfang September wird er in deutschen Kliniken verabreicht.

00:04:15: In München sind es etwa ein halbes Dutzend Patienten, die dieses Medikament bekommen.

00:04:20: Und darunter ist auch Claudia.

00:04:22: Ich fahre vierzehn Tage nach München

00:04:26: und

00:04:27: da kriege ich dann immer die Infusion.

00:04:31: Einer ihrer Ärzte am Klinikum der TU München ist Timo Grimmer.

00:04:35: Er leitet das Zentrum für kognitive Störungen.

00:04:39: Zum ersten Mal, sagt er, könne er die Krankheit behandeln und nicht nur die Symptome.

00:04:44: Doch er macht niemandem Illusionen.

00:04:46: Das heißt, wenn ich als Patient ein solches Medikament nehme, dann wird nichts besser werden.

00:04:51: Klar ist, der neu zugelassene Wirkstoff kann Alzheimer nicht heilen.

00:04:55: Er kann den Verlauf der Krankheit nur verlangsamen.

00:04:58: Das

00:04:58: könnte man so rechnen, wenn ich das drei Jahre nehme, dann bin ich nach drei Jahren.

00:05:02: Er ist so krank, wie unbehandelt bereits schon nach zwei Jahren.

00:05:06: Das mag jetzt schon fast enttäuschen klingen.

00:05:09: Aber für Patientinnen wie Claudia ist es schon sehr viel wert.

00:05:12: Denn es bedeutet für sie, dass sie mehr Zeit hat, die sie mit ihren Enkelkindern verbringen kann.

00:05:17: Dass sie noch länger selbstständig einkaufen gehen kann und dass sie ihren Haushalt erledigen kann.

00:05:22: Claudia weiß, dieses Medikament wird ihr Alzheimer nicht stoppen.

00:05:26: Forscher hoffen aber, dass es zukünftig die Krankheit ganz aufhalten kann.

00:05:32: Therapie, eine Behandlung, hat die den Verlauf einer Krankheit verlangsamt oder auffällt, dann macht es natürlich Sinn, zu sagen, warum gibt man sie nicht möglichst früh im Krankheitsprozess?

00:05:42: Früh bedeutet, dass die Menschen schon eine Alzheimerdiagnose haben, aber sonst noch relativ selbstständig zurechtkommen.

00:05:49: Das heißt, gehen auch selber zum Einkaufen, ziehen sich selber an, machen sich selber etwas zu essen, aber haben vielleicht leichte Probleme, wie zum Beispiel das Ziel.

00:05:59: mehr Merkzettel benötigen, ein Navigationssystem benötigen, wo sie früher vielleicht sich besser selbst zurechtgefunden haben.

00:06:06: Die ersten Studien laufen schon, in denen ein früherer Einsatz von Lekanemap getestet wird.

00:06:11: Wie hilfreich ist denn eine solche Therapie, wenn jemand eine Alzheimer-Krankheit hat und vielleicht kaum oder gar keine Symptome hat, vielleicht sogar sinnvoll, eine solche Therapie einzusetzen, bevor überhaupt irgendwelche Veränderungen hat, also im Sinne einer Profilachse?

00:06:31: Eine Profilachse, eine Vorsorge, könnte schon für die nächste Generation von Patienten möglich sein.

00:06:37: In Claudias Kopf hat die Krankheit aber schon zu viel zerstört.

00:06:42: Bei einer Althermandemenz passieren eigentlich drei Sachen und können das so als Trioinfernale beschreiben.

00:06:49: Bei dem Gespräch mit Claudia war auch meine Kollegin Stephanie Lars mit dabei.

00:06:53: Sie ist Biochemikerin und Medizinjournalistin bei der NCZ.

00:06:59: Schon lange bevor jemand merkt, dass er Probleme hat, ist die Demenz im Gehirn sozusagen schon am Laufen.

00:07:07: Denn zuerst bilden sich Proteine, die eigentlich das Gehirn braucht, aber es bilden sich klebrige Klumpen und diese Klumpen lagern sich an Zellen an und kleben sich dort fest, wie so Karamell auf dem Eis.

00:07:22: Und die sind giftig.

00:07:24: Diese Klumpen, die werden noch Plax genannt.

00:07:26: Sie verhindern, dass die Nervenzellen wie gewohnt miteinander kommunizieren können.

00:07:31: Also das Problem bei Alzheimer ist, dass es extrem unterschiedlich verläuft.

00:07:36: Es bringt sehr viele individuelle Probleme mit sich und die sind bei jedem anders.

00:07:41: Bei jedem Menschen ist ein anderer Teil im Gehirn von dem Ausfall betroffen.

00:07:45: Deshalb

00:07:46: finden manche Alzheimer-Patienten auf einmal den Weg vom Bäcker nach Hause nicht mehr.

00:07:50: Oder wie in Claudias Fall, sie kann nicht mehr auf ihren Wortschatz zugreifen.

00:07:54: Der nächste Schritt ist, bilden sich in den Nervenzellen solche kleinen Phasern, die sich auch wieder verkleben.

00:08:02: Das ist wie so ein bisschen verfilztes Wolkneul.

00:08:06: Und jetzt hat also die Nervenzelle außen klunken und innen verfilzte Phasern.

00:08:12: Und dann startet das Gehirn eine Entzündungsreaktion, weil es ja eigentlich das alles loswerden will.

00:08:20: Und das Problem ist, diese Entzündungsreaktion, die ist dann letztlich der Auslöser, dass die Nervenzellen absterben.

00:08:29: Und dann habe ich Löcher im Gehirn.

00:08:31: Am Anfang wenige und im Verlauf der Jahre immer mehr.

00:08:35: Wir kennen diese Reaktion des Körpers auch von einer Erkältung.

00:08:38: Wenn wir Viren im Hals haben, dann startet unser Immunsystem eine Aufräumaktion.

00:08:44: Die Entzündung im Hals soll die mit Viren befallenen Zellen abtöten und entsorgen.

00:08:49: Und deshalb bekommen wir Halsschmerzen.

00:08:51: Das ist auch gut, da werden neue Halszellen nachgebildet.

00:08:56: Im Gehirn gehen auch Nervenzellen kaputt.

00:08:58: Die mit diesen Klumpen und Faserbündel ist eigentlich auch gut, aber wir haben keinen Mechanismus, dass neue Nervenzellen gebildet werden.

00:09:06: Und deswegen entsteht ein Loch.

00:09:15: Wenn zu viele Nervenzellen im Gehirn abgestorben sind, dann kommt es zu diesen bekannten geistigen Ausfällen, der Vergesslichkeit und Persönlichkeitsveränderungen.

00:09:23: Das alles hat Claudias Tochter Nicole auch miterlebt.

00:09:27: Das hat im Mai,

00:09:30: oder aus dem Jahr einundzwanzig angefangen.

00:09:32: April hatte die Mama ganz schlimm Corona.

00:09:35: Und danach ging es los, dass Mama vergesslich wurde.

00:09:40: Durch dieses Vergesslichwerden wurde Mama dann auch teilweise sehr grandik.

00:09:45: Claudia hat ihre Diagnose mit Mitte fünfzig bekommen.

00:09:48: Vorher war es für ihre Familie oft völlig unverständlich, was denn eigentlich los war.

00:10:10: Jetzt weiß Nicole aber, was dem Kopf ihrer Mutter vorgeht.

00:10:13: Und sie kann auch besser damit umgehen.

00:10:16: Nicole erzählt uns auch, dass ihre Mutter immer noch Fehler freirecht schreiben kann, dass sie mit ihren Enkelkindern spielt, dass sie sich an Fachbegriffe aus ihrem Job in der Psychiatrie erinnern

00:10:25: kann.

00:10:26: Also Mama ist mittlerweile vierfach Oma und da merkt man aber auch gar nichts davon, dass sie irgendwie krank oder so ist.

00:10:34: Sie ist da einfach

00:10:35: voll in ihrem Oma-Element.

00:10:38: Mama

00:10:38: stellt sich gerade ein bisschen schlechter dar, wie sie eigentlich ist.

00:10:42: Claudias Arzt, Timo Grimmer, bezeichnet diesen Krankheitszustand als kognitive Einschränkung.

00:10:48: Also Claudia versteht unsere Fragen, nur das Antworten fällt ihr schwer.

00:10:52: Und so wirkt ihre Krankheit viel weiter fortgeschritten, als sie eigentlich ist.

00:10:56: Sprich, es sind schon sehr viele Nerven in ihrem Kopf abgestorben.

00:11:00: Aber es gibt immer noch einiges zu retten.

00:11:02: Und für Patienten in diesem Stadium ist der neue Wirkstoff Lekanemab derzeit zugelassen.

00:11:07: Ich tue noch Krosseln, ich tue Fischewaschen und

00:11:10: du machst dann ganz gut.

00:11:11: Ich mach den ganzen Haushalt alleine.

00:11:15: Ich bin schon gewohnt so.

00:11:17: Du machst alles noch?

00:11:18: Ja.

00:11:19: Was geht?

00:11:21: Lekanemap kann diesen Status erhalten.

00:11:23: Für ein paar Monate, vielleicht sogar für ein paar Jahre.

00:11:28: Lekanemap ist ein Antikörper.

00:11:31: Das sind so kleine y-förmige Gebilde.

00:11:35: Und dieser Antikörper, der ist so gebaut, dass er sich auf diese Plax, auf diese klebrigen Proteinklumpen draufsetzt.

00:11:45: Und das ist dann das Signal für das Immunsystem im Gehirn.

00:11:50: Räumt das bitte weg und zwar so schnell wie möglich.

00:11:54: Und das passiert auch.

00:11:55: Man kann das sehr gut in Bildern vom Gehirn sehen.

00:11:58: Man sieht diese Plax und dann Nach der Therapie, nach einer Weile sieht man sie eben nicht mehr.

00:12:05: Das heißt, die Aufräumaktion hat funktioniert.

00:12:08: Ja, die Aufräumaktion, die hat funktioniert.

00:12:11: Aber...

00:12:12: Wenn Claudia jetzt das Medikament nimmt, werden diese Proteinplumpen weggeräumt.

00:12:17: Und damit, das ist die Hoffnung, sterben keine weiteren Nervenzellen ab.

00:12:22: Aber, und das ist das große Problem, die Löcher, die Claudia schon hat, sprich, das merkt man ja bei ihr an der Sprache, die werden nicht gepflegt.

00:12:32: die bleiben bestehen.

00:12:33: In neuen Studien wird deshalb getestet, ob diese Lekanemapantikörpe nicht schon viel früher im Gehirn aufräumen könnten.

00:12:40: Also die ideale Behandlung wäre, ich mache mal einen Test im Alter von, sagen wir, fünfzig oder fünfundfünfzig und schau mal, ob da Plax, also diese Proteinklumpen im Gehirn sind.

00:12:55: Und wenn da welche da sind, dann könnte man das Medikament geben.

00:12:59: Und dann werden diese Placks abgeräumt und dann, so die Hoffnung, kommt es gar nicht erst zum Nervensterben.

00:13:05: Nur müsste man dazu natürlich ganz genau wissen, ob und wann jemand an Alzheimer erkrankt.

00:13:14: Claudia's Tochter Nicole könnte zum Beispiel eine Veranlagung für Alzheimer haben.

00:13:19: Das kann aber bisher noch niemand sagen.

00:13:22: Also ich muss gestehen, würde man jetzt schon testen können, ob diese Veranlagung da wäre.

00:13:30: Ich würde es machen.

00:13:32: So einen Test zu machen und dann ganz sicher zu wissen, dass man diese Krankheit hat.

00:13:37: Das erfordert auch einiges

00:13:38: an Not.

00:13:39: Die ganze Situation mit meiner Tochter, dass meine Tochter nicht das durchmachen müsste, was ich am Anfang durchgemacht habe.

00:13:49: Alzheimer bekommt man nicht von heute auf morgen.

00:13:51: Diese Ablagerungen im Gehirn bilden sich über Jahrzehnte.

00:13:55: Erst sind es nur ganz wenige und dann immer mehr.

00:13:59: Und das kann man inzwischen auch testen.

00:14:01: Wenn man mit allen Mitteln diagnostischer Möglichkeiten rangeht, dann können wir in der Zwischenzeit eine Alzheimererkrankung ca.

00:14:08: fünfzehn Jahre vor dem Auftreten jeglicher Beschwerden bei einem Betroffenen

00:14:13: erkennen.

00:14:14: Diese Betroffenen könnten den Wirkstoff bekommen und der würde die Ablagerungen entfernen, und zwar bevor die Nervenzellen zu viel Schaden nehmen.

00:14:24: Aber um wirklich sicher so eine Diagnose stellen zu können, bräuchte es eine wasserfeste Prognose dass die Alzheimer-Krankheit wirklich ausbrecht.

00:14:33: Entsprechend gibt es viel Hoffnung und viel Entwicklung im Diagnostikbereich auch zu versuchen.

00:14:38: Was können denn vielleicht blutbasierte Tests dort noch beitragen?

00:14:42: Weil von diesen Plakster fällt immer wieder so ein kleines Stückchen ab und das landet dann im Blut.

00:14:46: und das kann man dort dann feststellen.

00:14:49: und logischerweise je mehr von den Klumpen im Gehirn sind, desto mehr Bruchstücke sind auch im Blut.

00:14:56: Das Problem allerdings ist, dass man noch nicht sagen kann, so und so viele Bruchstücke im Blut oder so und so viele Klumpen im Gehirn.

00:15:07: Das heißt, in einem Jahr bricht Alzheimer aus.

00:15:11: Diese Lücke, die müssten wir auf jeden Fall noch füllen in der Diagnose.

00:15:15: Wir brauchen also gute, günstige, einfache Tests.

00:15:19: Denn so eine Behandlung, nur auf Verdacht zu beginnen, dafür ist sie zu teuer, zu aufwendig und sie hat zu viele Risiken.

00:15:26: Allein das Medikament kostet pro Jahr ungefähr von zwanzigtausend Euro.

00:15:31: Und Gedanken, die wir uns in der Medizin bei so etwas immer machen, ist, wir nennen das Nutzen-Risiko-Verhältnis.

00:15:38: Also wir müssen uns immer überleben natürlich, dass unser erstes Gebot ist in der Medizin keinen Schaden, den Patienten zu verursachen und dagegen wägen wir den relativen Nutzen auf.

00:15:50: Claudia zum Beispiel muss alle zwei Wochen für die nächste Infusion in die Klinik nach München fahren.

00:15:55: Und dort wird dann auch immer gleich untersucht, wie ihre Krankheit fortschreitet und ob das Medikament eventuell Nebenwirkungen verursacht.

00:16:03: Lekanemab kann dazu führen, dass es kleine, lokale Entzündungen gibt.

00:16:09: Es ist logisch, weil wir hoffen ja, dass das Immunsystem angekurbelt wird, damit diese Plugs abgeräumt werden.

00:16:15: Und jetzt kann es aber sein, dass das sozusagen ein kleines bisschen zu sehr aktiviert wird.

00:16:20: Und dann kommt es auch zu kleinen Entzündungen.

00:16:23: Und das ist im Gehirn nicht gut.

00:16:25: Das ist es nirgendwo gut.

00:16:26: Aber im Gehirn kann das zu Schwellungen führen.

00:16:30: Und es kann auch vielleicht mal zu Blutungen kommen.

00:16:33: Und das ist natürlich eine gefüchtete Nebenwirkung, weil das kann dann zu weiteren Ausfällen von Gehirnarealen führen.

00:16:40: Also eigentlich das, was man bekämpfen will.

00:16:43: Aber man muss auch dazu sagen, diese ganz schlimmen Nebenwirkungen sind sehr selten.

00:16:48: Für die Patienten, die schon mit dem Wirkstoff behandelt werden, scheinen die Nebenwirkungen fast schon nebensächlich zu sein.

00:16:55: Denn was ist die Alternative?

00:16:57: Der Verlust ihrer selbst.

00:16:59: Und die Aussicht darauf, die klingt für Tochter Nicole viel schlimmer als die Angst vor eventuellen Nebenwirkungen.

00:17:05: Sie würde das Medikament trotzdem nehmen.

00:17:08: Sogar prophylaktisch, falls sie eine Veranlagung für Alzheimer hätte.

00:17:11: Also ich muss offen und ehrlich sagen ja auch mit diesen Nebenwirkungen.

00:17:16: Denn so könnte sie ihre eigene Persönlichkeit bewahren, ihre Erinnerungen behalten und länger selbstständig leben.

00:17:23: Claudia hatte zum Zeitpunkt unseres Gesprächs bereits drei Behandlungen bekommen und soweit das Medikament gut vertragen.

00:17:30: Wie gut es wirkt, lässt sich vermutlich erst in den nächsten Monaten sagen.

00:17:37: Wir sind gleich

00:17:38: zurück.

00:17:42: Gemeinsam für eine nachhaltige Schweiz.

00:17:45: Die Plattform Sustainable Switzerland zeigt ihr neue Erkenntnisse aus Wirtschaft und Wissenschaft und bringt wichtige Akteure zusammen.

00:17:55: Unterstützt von den Partnern BCG, BMW, Dimobilia, Google, Swisscom, UBS und weiteren.

00:18:03: Fakten, Hintergründe und Infos findest du unter Sustainable Switzerland.ch.

00:18:16: Stephanie, über kaum ein anderes Medikament wird so viel gesprochen, so viel geschrieben wie über diese neue Alzheimer-Behandlung.

00:18:25: Aber jetzt haben wir gerade gehört, eigentlich wird dadurch nicht wirklich viel besser.

00:18:31: Ist dieser Hype übertrieben?

00:18:33: Schwierige

00:18:34: Frage.

00:18:35: Also einerseits würde ich sagen, ja, es ist sicher ein Hype, um dieses Medikament entstanden, der nicht dadurch gerechtfertigt ist, dass es so eine tolle Wirkung hat.

00:18:45: Aber ich glaube, das hat auch das Gespräch mit Claudia und ihrer Tochter klargemacht.

00:18:51: Die Patienten, die betroffen sind, sind so verzweifelt und haben so eine große Angst vor dem Fortschreiten, dass für sie auch das Einfrieren im Status quo ein Riesenfortschritt ist.

00:19:05: Und das heißt, diese Hoffnung, dass es nicht noch schlimmer wird, dass man nicht zu so einem totalen Pflegefall wird, dass man sich gar nichts mehr erinnern kann, den Namen und die Gesichter der Enkelkinder vergisst, dass es nicht so weit kommt und dass das Medikament dabei helfen kann.

00:19:23: Das berechtigt in meinen Augen schon diese großen Hoffnung, die man in es setzt.

00:19:28: Die Forschung setzt sich auch sehr viel Hoffnung in dieses Medikament.

00:19:32: Wie wird es jetzt getestet, ob das funktionieren kann?

00:19:35: Dass Lecanema wirklich besser wirkt, wenn man es möglichst früh nimmt.

00:19:39: Also man hat jetzt Studien gestartet bei Personen, die ein genetisches Risiko für Alzheimer haben und zwar nicht nur das Risiko, dass sie das höchstwahrscheinlich bekommen, sondern es gibt Menschen, die aufgrund ihrer genetischen Konstellation ganz sicher.

00:19:57: als haben wir bekommen.

00:19:58: Und zwar zum nahezu identischen Zeitpunkt wie ihre Mutter oder ihr Vater.

00:20:04: Das heißt, wenn die Mutter das mit fünfundvierzig bekommen hat, dann kriegt der Sohn oder die Tochter, die diese selbe genetischen Varianten geerbt hat, auch in dem Alter.

00:20:14: Und das... ist natürlich für die Forschung ein sehr gutes, ein sehr guter Ausgangssituation.

00:20:21: Man weiß, hier ist eine Person, die bekommt Alzheimer mit forty-fünf, plus minus ein Jahr, sagen wir mal.

00:20:29: Jetzt gebe ich dieser Person ab dem Alter von dreißig, oder vielleicht auch thirty-fünf, das ist je nach Studie etwas verschieden, ein Medikament.

00:20:39: Und wenn diese Person dann mit forty-fünf kein Alzheimer hat, Dann hat das Medikament mit hoher Wahrscheinlichkeit den Ausbruch verhindert und dann wäre es wirklich ein Medikament, das man vorsorglich nehmen kann zur Prävention.

00:20:54: Aber sollten wir dann nicht viele Leute einfach regelmäßig zum Arzt schicken und die sollen sich durchchecken lassen und wir lassen ja auch immer wieder Leberwerte zum Beispiel kontrollieren und dann lassen wir gleichzeitig auch noch den Alzheimerwert kontrollieren, denn je früher desto besser und bei allen Auffälligkeiten bekommt man dann das neue Medikament.

00:21:12: Das wird zwar ideal, aber wir haben noch keinen Test, der uns sagt, diese Person bekommt mit hoher Wahrscheinlichkeit Alzheimer.

00:21:23: Wir haben diese genetischen Varianten, da können wir das sagen, aber das sind nur wenige Prozent aller Alzheimer-Patienten.

00:21:29: Und bei den anderen können wir zwar feststellen, oh ja, da sind Proteinklumpen im Hirn, aber wir können nicht sagen, was das jetzt wirklich bedeutet.

00:21:39: Das muss auch noch erst in Studien geklärt werden, dass man so einen Schwellenwert festlegt.

00:21:45: Ähnlich wie beim Blutruck haben wir das ja auch.

00:21:47: Ab dem und dem Wert.

00:21:48: Okay, dann nimmst du hier einen Blutrucksenker.

00:21:51: oder Blutfetten, bei dem und dem, wenn es die Schwelle überschreitet, dann bekommt man einen Statin, damit weniger Cholesterin im Blut ist.

00:21:58: Das kann man so leider noch nicht bei diesen Alzheimer-Tests sagen.

00:22:02: und das Problem ist, das zweite, diese Medikamente, wir haben ja vorhin drüber gesprochen, die haben schon erhebliche Nebenwirkungen.

00:22:11: Die Hoffnung für Claudia ist ja, dass ihr Krankheitsverlauf sich etwas verlangsamt.

00:22:15: Ihre Nervenzellen bleiben aber abgestorben.

00:22:18: Gibt es denn Forschung, die da ansetzt?

00:22:21: Also es gibt Forschungsansätze, die versuchen die Löcher im Gehirn zu stopfen.

00:22:27: Und das möchte man dadurch erreichen, dass man Zellen in diese Löcher hineinspritzt.

00:22:34: Also Zellen, die man vorher in der Zellkultur gezüchtet hat, das sind dann auch Nervenzellen, die passen sollen und die injiziert man da rein.

00:22:44: Das funktioniert bei Parking, sondern eine andere Erkrankung.

00:22:47: Bei der Nervenabsterben funktioniert das im Ansatz.

00:22:50: Also zumindest hat man jetzt Meldungen, dass manche Symptome besser wurden.

00:22:56: Jetzt hofft man, dass das bei Alzheimer auch der Fall ist.

00:22:58: Da gibt es aber noch nicht diese Erfolgsmeldungen.

00:23:01: Das heißt, im Fall Claudia kann man jetzt wirklich nur wünschen, dass dieses Medikament Lekanemab ganz, ganz lange ihren Zustand, den sie jetzt hat, erhält.

00:23:13: Und das ist dann vielleicht in fünf oder zehn Jahren, wenn die Forschung mit dem Löcherstopfen weitergekommen ist, dass man das ihr dann anbieten kann.

00:23:22: Also wir können auf jeden Fall sagen, dass dieses neue Medikament zwar kein Wundermittel ist, aber für die Patienten, für die Angehörigen schon eine Erleichterung.

00:23:33: Wie würdest du denn das jetzt abschließend einordnen, wenn wir nochmal auf diese Vision zurückkommen, Stephanie, dass es jetzt eine Alzheimertherapie gibt, die irgendwann vielleicht diese Krankheit auch tatsächlich heilen kann?

00:23:45: Wird das was?

00:23:47: Also ich bin da überzeugt, das ist wahrscheinlich nicht das einzige Mittel, das schlussendlich das Rennen macht.

00:23:53: Ich persönlich glaube eher, dass es so ein Cocktail werden wird, dass man auch noch diese bereits erwähnten verfilzten Fasern irgendwie beseitigen muss.

00:24:02: dass man gegen Entzündungen im Gehirn vorgehen muss oder vielleicht die Müllabfuhr nochmal speziell aktiviert.

00:24:09: Also ich glaube, da gibt es ganz viele Ansätze, weil es eben auch so eine komplexe Erkrankung ist.

00:24:13: Und ja, ich glaube, dass man in einigen Jahren mit so einem Cocktail an Medikamenten deutlich besser lindern kann.

00:24:25: Die verschiedenen Medikamente müssen aber erst getestet und zugelassen werden.

00:24:29: Übrigens.

00:24:30: In der Schweiz ist Leckhanemab noch nicht zugelassen.

00:24:34: Danke dir, Stephanie.

00:24:35: Danke dir.

00:24:37: Das war

00:24:37: Quantensprung.

00:24:38: Im Quantensprung-Newsletter habe ich euch das Thema mit den wichtigsten Fakten nochmal zusammengefasst.

00:24:44: Den Link findet ihr in den Shownauts.

00:24:47: Ich bin Lena Walter.

00:24:48: Bis nächste Woche.

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